Golgori

Der folgende Text liegt auf Pergament gebannt in den Archiven der völkerkundlichen Akademie zu Berlion. Offenkundlich handelt es sich um die Übersetzung eines von Golgori geschriebenen Textes.

Das Leben hier ist nicht einfach. Wir finden einen Weg hierher, kommen aber nicht mehr weg, das Tor ist nicht da. Nun finden wir uns in einer kargen Gegend wieder, wenig Tiere leben hier und wir müssen kämpfen und jagen, um zu überleben. Der Schamane sagt, wir sollen uns aufteilen. Wo wir herkommen, sind die Stärksten von uns Häuptlinge. So wählen wir auch hier Häuptlinge in einem Wettstreit. Die Stärksten führen die einzelnen Clans in verschiedene Richtungen des neuen Landes. Dort finden wir Orte, an denen wir gut leben können. Ich bin ein einfacher Dakkhár des Silberspeer-Clans, der Häuptling beauftragt mich, zu schreiben, was uns in diesem neuen Land passiert. Wir reiten nach Süden, zusammen mit dem Drachenfeuer-Clan, und finden Tiere für die Jagd und auch guten Boden, wo wir Getreide anpflanzen. Noch weiter im Süden sind Felsen und dahinter die Küste. Was hinter dem Meer ist, weiß ich nicht.

Wir leben hier seit vielen Sonnenläufen und haben eine feste Ansiedlung. Ab und zu kommen Boten von den anderen Clans, sie erzählen von einem mächtigen Gott, der im Osten des Landes lebt und dem wir uns unterwerfen sollen. Wir wollen uns nicht unterwerfen, aber die Clans, die nach Osten gehen, kommen zurück und zwingen uns dazu. Dar Morhoc heißt der Gott. Wir dienen ihm jetzt, aber wenn wir mal nach Osten gehen, töten wir ihn.

Die anderen Clans bleiben bei Dar’Morhoc, wir wollen keine Diener sein und gehen weiter nach Süden. In den Bergen am Meer leben andere, die vor uns hier sind. Die sagen uns einiges über das Land. Ihre Sprache ist anders, aber wir lernen. Nun bauen wir Boote und fahren aufs Meer hinaus, weg von Dar Morhocs Reich. Da wo wir hinkommen sind auch Wesen, sie sind kleiner als wir und haben Haare im Gesicht, sie wollen nicht mit uns reden. Als wir in ihre Häuser gehen, greifen sie uns an und wir müssen sie töten. Kein stolzer Krieger kämpft mit so kleinen Wesen. Irgendwann sind die kleinen Wesen fort und wir finden nichts Neues mehr an diesem Ort. Wir nehmen nur Waffen und Rüstungen mit, sie sind gut, besser als unsere, und kehren damit in unser Land zurück. Vielleicht gehen wir bald mit den neuen Waffen nach Osten.

 

 

Anmerkungen des Übersetzers:

Ich habe auch andere Texte der Golgori zu Gesicht bekommen, und es scheint, als kenne ihre Sprache durchaus unterschiedliche Zeitformen. Dieser „Dakkhár“, was vermutlich soviel bedeutet wie Arbeiter/Gehilfe, scheint sich damit allerdings nicht auszukennen. Wie aus dem Text zu entnehmen ist, sind die Golgori durchaus organisiert und zivilisiert – die Schamanen stehen als die wahren Machthaber und Ratgeber ganz oben, die Häuptlinge sind lediglich Befehlshaber. Auf ihre Clanzugehörigkeit legen sie sehr viel Wert, so etwas wie Wappen benutzen sie daher auch. Ich hörte von den Steinlingen, dass sie an Fetzen von Golgorirüstungen derartige Abzeichen entdeckt haben. Die Unterschiede zwischen den Clans, die sich mit der Zeit entwickelt haben mögen, werde ich noch erforschen. Ihr grobschlächtiges Aussehen mit der grünlichen Haut und den großen Hauern im Unterkiefer täuscht zwar ein unterentwickeltes Volk vor, doch bezweifle ich, dass die Kultur der Golgori so primitiv ist, wie hierzulande vermutet wird. Sie mögen zwar in der Schmiedekunst nicht bewandert sein, lassen sich von der Magie eines Schwarzmagiers beeindrucken und leben ein einfaches Leben… doch das macht sie als Volk nicht weniger interessant für meine Studien. Auch ihre Reittiere sind nicht uninteressant. Sie zähmen dafür große Echsen, die ausdauernde Läufer sind und auch einen Kampf nicht scheuen.

Was mich erstaunt, ist das Vorhandensein von Halbgolgori. Sie scheinen durch eine Vermischung von Golgori und diesen Wesen entstanden zu sein, die an der Südküste Ardceaîrs in den Bergen leben… die Scambar. Halbgolgori habe ich auch schon in den Wirtshäusern weiter im Norden angetroffen, und die meisten von ihnen verhalten sich ruhig – dennoch hört man immer wieder von halbgolgorischen Assassinen. Die Halbgolgori sind jedenfalls an ihrer schlanken, drahtigen Statur und ihren violetten Augen zu erkennen, die sie von den Scambar geerbt haben. Sie haben eine bleiche, blassgrüne Haut, die von Narben geziert ist. Eine geheimnisvolle Tätowierung, das Symbol des jeweiligen Stammes, schmückt ihre Stirn. Die Halbgolgori sind nicht so stark wie die Golgori, aber kräftig wie ein Menschenmann. Sie sind intelligent und oft tückisch, wie die meisten Diener Dar Morhocs, dem Herrn der Schatten. Allerdings ist nicht ihr ganzes Volk dem Schwarzmagier verfallen, sondern nur einige Fanatiker, die dem „Dunklen Kreis“ angehören. Dies ist eine Art Sekte, deren Mitglieder überwiegend Halbgolgori sind. Ihr nicht gerade hehres Ziel ist es, Heldentaten zu vergelten, indem sie Anschläge oder gar Meuchelmorde an tapferen Recken verüben, die für das Licht kämpfen. Immer wieder gelangen einige von ihnen nach Daaron, wo sie ihre Untaten verüben.

Nun, wir kennen aber auch eine andere Art von Halbgolgori. Jahre nach den gescheiterten Feldzügen, die die Golgori aus dem Norden gegen Daaron und insbesondere Berliar versucht haben, sind einige von ihnen im Land geblieben und haben sich ruhig verhalten. Es heißt, sie hätten die Seiten gewechselt und seien zivilisiert geworden. Das interpretiere man, wie man will… jedenfalls sind mittlerweile auch menschliche Halbgolgori bekannt, die teilweise sogar bei unseren Turnieren zu Ruhm und Ehre gekommen sind.

Eine weitere Gruppe von Golgori, von denen wir nicht soviel wissen, weil sie aus einem uns noch unbekannten südlichen Land stammen, sind die Adinzu. Sie unterscheiden sich im Aussehen etwas von den anderen Golgori, doch die Verwandtschaft ist unverkennbar. Vor ihnen sollte man sich wirklich fürchten, denn sie sind gnadenlose Piraten, die gerne töten und Schlimmeres tun. Ihre Kleidung und ihr ganzes Gehabe wirkt seltsamen edel, doch ihre Grausamkeit können sie damit nicht verstecken.